2024 beginnt die Steirische Kulturinitiative in Rottenmann und mit einer neuen Publikation

Bewegt Bleiben – seit einem halben Jahrhundert .

50 Jahre Ideen und Impulse für Kunst und Kultur in der Steiermark thematisiert ein Buch über das Wirken von Herbert Nichols-Schweiger.

Die Steirische Kulturinitiative (KI) hat in der Steiermark kulturell und gesellschaftspolitisch viel bewegt. Sie initiierte avantgardistische künstlerische Ausdrucksformen und förderte eine Vielfalt an kulturellen Aktivitäten. Die neue Publikation bewegt bleiben dokumentiert das Wirken des früheren Geschäftsführers Herbert Nichols-Schweiger als kritisch-fördernder Kulturjournalist ab 1970 ebenso wie danach als unermüdlicher kulturpolitischer Motor. In Texten und Bildern werden Meilensteine und Besonderheiten der umfänglichen Arbeit in der Steirischen Kulturinitiative und der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik (bis 2017) sichtbar gemacht. Nicht nur Wegbegleiter*innen wie Karl Heinz Herper (Stadtrat a. D. und KI-Vorsitzender), Richard Kriesche (Künstler, Wissenschaftler und Publizist), Walter Titz (Kulturjournalist) und Karl Stocker (Universitätslehrer, Forscher und Design-Denker) kommen zu Wort, sondern auch Personen mit einem analytischen Blick von außen, wie etwa Michael Wimmer (Doz. für Kulturpolitik, Univ. f. angewandte Kunst Wien) oder Judith Laister (Professorin für Europäische Ethnologie an der Uni Graz).

Wir sprachen mit Herbert Nichols-Schweiger über seine unerbittliche Förderung von Kunst und Kultur.

 

Warum war es Ihnen so wichtig, stets auch Fremdes – etwa das japanische Tanztheater Butoh – in die Steiermark zu holen?

Der ehemalige Vielvölkerstaat Österreich wurde vom Austrofaschismus und in der NS-Zeit gegen das Fremde gebürstet. Das widersprach allerdings bald dem Gang der Entwicklung. Kunst ist an sich das andere, eine Art Gegenwirklichkeit. Die in Japan als Butoh hervorgekommene Körperkunst ist nicht nur der wesentlichste Beitrag Ostasiens zur Weltkunst des 20. Jahrhunderts, sondern enttarnte, wie wir es in der Steirischen Kulturinitiative auch genannt haben, „Metamorphosen der Seele“. Wer sich von der vordergründigen Abwehr des Fremden lösen kann, entdeckt eben Neues. Und das bringt einen weiter, als im alten Sumpf zu brüten.

 

Kunst aus den klassischen Institutionen heraus zu den Menschen zu bringen, war stets ein Credo.

Richard Kriesche und Peter Gerwin Hoffmann wollten mit ihrem Vorläufer Kulturinitiative Weiz (um 1975)

auch die Produktion von Kunst in Richtung Öffentlichkeit bewegen – und das hieß natürlich auch in Richtung Demokratie. Das unsinnige „Wozu brauch i des …“ markiert ja schon den durch unsere Gesellschaft ziehenden Graben. Freiheit muss sich auch im Kopf durchsetzen. Kunst ist dazu ein wesentlicher Teil. In der Steiermark gelang vor anderen Bundesländern schon in den früheren 1970er Jahren „Kunst am Bau“, also ein Prozent der Bausumme wurde

in künstlerische Gestaltung des konkreten Objekts investiert. Damit wurden verschiedenste Wege für Orte und damit auch Entwicklung von Kunst geöffnet.

 

Oft war das Gezeigte gegen den Mainstream. Wieso sind dennoch Karrieren daraus entstanden?

Kulturinitiative und Gesellschaft für Kulturpolitik öffneten nicht nur für das Publikum. Indem sie Künstler*innen und deren Werke in den steirischen Regionen präsentierten, entstanden für diese viel breitere Resonanzen. Wir

reden da von hunderten! Es wäre einfach ungerecht, dafür nur einzelne Namen

zu nennen. Aber: Gemessen am Werbeeinsatz in Wirtschaft und Handel, mittlerweile auch bei den Kultur- Tankern, sind bei Kunst und Kultur besondere Kommunikationen erforderlich. Da jedoch Kunst und Kultur auch gesellschaftliche Emanzipationen erleichtern, ist die Abhängigkeit von Bringschulden (Warten auf Einladungen z. B.) ohnedies nicht hilfreich. Schon das Suchen nach dem Besonderen ist ein phantasievolles Unterfangen.

 

Große Würfe gelangen mit den Stmk. Kulturförderungsgesetzen 1985 und 2005. Wie kam es dazu und wie wird die Zukunft der öffentlichen Kulturförderung aussehen?

Die Steiermark war 1985 das erste Bundesland mit konkreten Regelungen für die Vergabe von Förderungen. In dem mit dem damaligen Finanz- Landesrat Dr. Klauser von mir initiierten Entwurf für ein Stmk. Kulturförderungsgesetz wurden nicht nur Kontrollfunktionen für Kulturförderungen eingebaut (Kulturbericht, Kulturbeirat). Ohne Daten und Fakten und ohne demokratisch institutionelle Reflexion wäre das weitaus umfangreichere Kultur- und Kunstförderungsgesetz 2005 gar nicht denkbar gewesen. Es entstand ja aus der Einzelfrage, ob mehrjährige Förderungen für die sogenannte Szene möglich sein sollen. Die dafür von der Landesregierung eingesetzte Evaluierungskommission entfaltete daraus erst die Gesamtansicht. Kürzlich hat der Landeshauptmann und gleichzeitige Chef des Kulturressorts sich als Ergebnis der breit erarbeiteten Kulturstrategie 2030 ein neues Gesetz gewünscht. Falsch wäre das nicht: die Novellierung von 2010 war sicher eine Verschlechterung. Sie hat vor allem die kommunizierenden Möglichkeiten im Kunstsektor eingeengt. Das bestätigen die vielen Wünsche im Rahmen der Kulturstrategie. Sie in ein neues Gesetz einzubauen und auf ein Sparen für Kunst und Kultur zu verzichten ist vielleicht nicht einfach, aber für ein von vielen gewünschtes Kulturland Steiermark eine Voraussetzung. Ob das in einem Wahljahr gelingen kann, steht auf einem anderen

 

Blatt. WP